Andalucía! Wien Premiere im Radiokulturhaus!

Heilwig Pfanzelter mit Texten des andalusischen Literaturnobelpreis-Trägers Juan Ramón Jiménez in einem spanischen Konzert der Gitarristin Julia Malischnig und der Perkussionistin Ingrid Oberkanins. Wien-Premiere! In Worten und Klängen illustrieren Heilwig Pfanzelter, Gitarristin Julia Malischnig und Perkussionistin Ingrid Oberkanins im Programm "Andalucía" die Vielfalt von Juan Ramón Jiménez' "Platero und ich" und machen dieses große Werk der Weltliteratur als Reise durch Andalusien, Beschreibung einer Freundschaft und Auseinandersetzung mit Selbst und Welt erfahrbar. Juan Ramon Jiménez, 1881 geboren im andalusischen Moguer, gilt als der wichtigste Vertreter des Modernismo, mit seinen "Arias tristes" gelang ihm 1901 der literarische Durchbruch.

Für "Platero y yo" erhielt der Autor 1956 den Literaturnobelpreis. Das Werk handelt von der Freundschaft zwischen dem Ich-Erzähler und einem kleinen Esel und beleuchtet in 138 Prosaminiaturen das Leben in Andalusien vor dem Ersten Weltkrieg. 1960 vertonte Mario Castelnuovo-Tedesco 28 Stücke aus dem umfangreichen Opus des Schriftstellers. Der Florentiner Komponist entwickelt in "Platero und ich" op. 190, eine eigene, von der Landschaft und der Musik Spaniens inspirierte Klangsprache, getragen von Volksliedelementen, Tanzrhythmen und kraftvoll angeschlagenen Gitarrenakkorden.

"Die Musik von Castelnuovo-Tedesco ist voller Spannung, Sensitivität und Ausdruckskraft. Sie unterstreicht das Wort und macht das Bild dem Zuhörer dadurch noch sicht-, hör- und spürbarer. Es ist eine wunderbare Symbiose aus Poesie, Musik und Imagination", so die Gitarristin und Sängerin Julia Malischnig. "Andalucia" verbindet in unterschiedlichen Kombinationen Heilwig Pfanzelters eindringliche Rezitation mit spanischer und von Spanien inspirierter Musik. Pfanzelter und Malischnig, die einander vor Jahren bei einer Weihnachtsproduktion für das RadioCafe kennen lernten, stellten dieses Programm zusammen: "Julia machte den Vorschlag, 'Platero und ich' auf die Bühne zu bringen. Ich las Stücke daraus, sie hat mir Musik dazu vorgespielt und schon waren wir mitten in den Proben. Die Kraft dieser poetischen Sprache und die eigens dazu komponierte Musik haben mich von Anfang an begeistert", so Pfanzelter. Gemeinsam trafen die beiden eine Auswahl aus den 138 Bildern des Autors und erweiterten die vorhandenen Vertonungen von Castelnuovo-Tedesco: "Da es nicht zu allen 'Augenblicksbildern' Musikstücke gibt, hat Julia Gitarre-Soli eingebaut – von Isaac Albéniz, Julio Sagreras oder Ernesto Lecuona – Ingrid bereichert den Abend mit Solostücken an Hang oder Udu und ich mit Solo-Textpassagen. So kam ein Programm zustande, welches den Zuschauer immer mehr in die Schönheit Andalusiens versinken lasst", erläutert die Chanteuse, Schauspielerin und Moderatorin. Was auf den ersten Blick wie eine stimmungsvolle Reise durch das südliche Spanien scheint, entfaltet durch das Ineinandergreifen von Wort und Klang seine Wirkmächtigkeit.

Das Mysteriöse, das Unbewusste enthüllt sich in Natursymbolen: Blaue Blüten wachsen in einem rätselhaft düsteren Brunnen, Platero trinkt sein Wasser samt Sternen, Wolken legen gluckenhaft den Mond als goldenes Ei auf den Horizont. Das reiche Tier- und Pflanzenleben, das den Erzähler und seinen kleinen Esel Platero umgibt, zeigt die romantischen Wurzeln des Modernismo. "Die Poesie ist ein Versuch, sich dem Absoluten zu nähern, mit Hilfe von Symbolen", wie Jiménez selbst meinte, und dieses Credo zeigt sich in jeder seiner Miniaturen. Es "schläft ein Lied in allen Dingen ... " (Eichendorff), das durch Zauberworte zum Klingen gebracht wird, wenn der Ich-Erzähler zu seinem treuen Begleiter spricht: "Der Brunnen ... Platero, was für ein urtiefes, urdunkelgrünes, urklangvolles Wort! Man meint, es wäre das Wort, das kreiselnd die dunkle Erde durchbohrt, bis es hinuntergedrungen ist zum kalten Wasser."

Die Momentaufnahmen des Erzählers und seines Esels eröffnen durch die markante Rezitation Pfanzelters und die Musik von Malischnig und Oberkanins mehrere Ebenen: Es ist die Geschichte einer Freundschaft, eines gemeinsam Seins auf der Welt. "Platero ist für mich ein Sinnbild für die enge Verbindung von Mensch und Natur. Platero ist kein Esel im normalen Sinn des Wortes. Er ist ein Wesen mit kindhafter Seele und lässt uns, die Erwachsenen, die Welt durch seine Augen sehen", wie Heilwig Pfanzelter meint. Durch eben diese Perspektive wird Platero zugleich Teil des Erzählers selbst und steht für die kindliche Weltsicht, die dem erwachsenen Ich abhanden gekommen ist. Im Sein mit Platero wird das gespaltene Ich wieder eins. Einsam ist der Ritt des Erzählers auf dem Rücken seines Begleiters letztlich, doch auf eine Weise einsam, " ... dass es scheint, als wäre immer jemand da". 

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